Doppelte Ausgrenzung
Von Franziska Schneider
Wie viel Menschenwürde bleibt übrig, wenn ein Angeklagter einen Aktenordner vor Verhandlungsbeginn vor sein Gesicht halten muss? Mit Handschellen oder ohne, wie in den beiden Fällen, ist es doch erniedrigend und endet erst, wenn der Prozess beginnt und die Presse des Saales verwiesen wird. Müssen Staat und Medium in dieser Form Gewalt ausüben und demonstrieren? Nein.
Tatverdächtige, Angeklagte und Gefangene werden doppelt ausgegrenzt: einerseits aus dem tatsächlichen Leben „draußen“ und andererseits auf der Ebene des Mediums. Während sie im täglichen Leben meist eh zum untersten Rand der Gesellschaft gehören, werden sie mit solchen Bildern öffentlich erneut an den Pranger und damit außerhalb der Gesellschaft gestellt. Medien legitimieren mit solcher Art von Bildern (ungewollt) die aktuelle Praxis der Konsequenzen: „Wegsperren und zwar für immer“ (Gerhard Schröder). Sie legitimieren die gegenwertige Rechtsordnung, weshalb andere Meinungen geschweige denn die Frage, „Warum strafen wir?“ (Fassin 2018), schwer in den Diskurs einzuführen sind.
Ohne Frage, jedes Medium benötigt Bilder. Wird uns Justitia mit ihrer ausgleichenden Gerechtigkeits-Waage zu langweilig? Oder ist es gewollt, Tatverdächtige, Angeklagte und Gefangene mit solchen Bildern auf zweiter Ebene anzuprangern und uns selbst damit besser zu fühlen? Oder, um es in den Worten von Wacquant zu fragen: Turnen uns die Bilder an? Wie die „vorprogrammierte Lustgymnastik, die die pornografischen Filme“ (Wacquant 2013: 13) anhand einer Liebesbeziehung vorgaukeln, zeigen solche Bilder uns eine Law and Order Politik, dank der wir uns in Sicherheit wiegen dürfen.