Epilog: Erfahrungen aus dem Wahlkampf im Wahlkreis 31
Ich denke, der Ausgang der gerade zurückliegenden Landtagswahl war von Angst bestimmt. Der Angst der Wähler, dass planlose, verbohrte Rechtsradikale das Ruder übernehmen, der Angst, dass sich ja doch nichts ändert in dem Einerlei des volksparteilichen Regierens. Die einen wählen also hilflos das, was immer schon war, die Anderen wütend eine angebliche „Alternative“, weil sie keine wirkliche Alternative sehen.
Das wird noch näher zu diskutieren sein. Das ist zwar notwendig vorauszuschicken, sonst aber hier nicht das eigentliche Thema.
Mich interessiert die Geschichte vor dem bitteren Ende: Der Wahlkampf! Was bleibt zum „besser machen“? Was können wir getrost auch bleiben lassen? Und ja, ich spreche nur von Wahlkampf, wie ich ihn geführt sehen will – und nicht von einer Kampagne einer gut bezahlten Werbeagentur für ein beliebiges Produkt auf dem Markt.
Dazu einige Thesen:
These 1: Wahlkampf ist Überzeugungstat.
Dabei geht das Aufzeigen von gesellschaftlichen Missständen mit dem Anbieten der Lösungsmöglichkeiten einher. Gleichrangig daneben steht, Menschen für die Mitarbeit oder auch nur das Mitdenken zu aktivieren. Trotz des Stresses darf man sich dabei niemals den Spaß und die Freude nehmen lassen.
Das scheint zu funktionieren. In meinem Heimatort Erkner haben wir zur Kommunalwahl der Stadt mehr als 30 Prozent der Stimmen erreicht; bei der Landtagswahl blieb mein Erststimmenergebnis – trotz der einschränkenden Vorbemerkung – nur sechs Stimmen hinter der Zweitplatzierten.
These 2: Wahlkampf ist immer!
Die Verankerung der Genossen in den Orten, nämlich immer offen und transparent zu handeln und jederzeit Rechenschaft gegenüber den Bürgern ablegen zu können, sollte für sie selbstverständlich sein. Das setzt aber ein gegenseitiges Verstehen voraus. Eine solche Identifikation kann sich nur im langwierigen Prozess der – zunächst – einseitigen Ansprache und dann des Gesprächs entwickeln. Das heißt, vor Ort regelmäßig, verlässlich präsent und gesprächsbereit für Anliegen der Bürger und eigene Vorstellungen sein.
These 3: Schaffe Gegenöffentlichkeit, vielleicht gar Gegenmacht.
Eine pluralistische Medienlandschaft gibt es nicht (mehr). Dass die offiziellen Medien, auch die von Werbeeinnahmen abhängige Presse dabei helfen, Personen vorzustellen und Standpunkte herauszuarbeiten, um Wahlentscheidungen zu ermöglichen, gehört heute in das Reich der Sagen und Märchen. Ein Problem, das eine Chance birgt.
Übersetzt heißt das: Du musst Dich zeigen, weniger auf Plakaten, mehr und besser im Gespräch, also auf Partei-Ständen, an der Haustür des Wählers und mit eigenen Publikationen.
Ein Klassiker des Wahlkampfes sind Infostande vor Ort. Über deren Sinn habe ich widerstreitende Meinungen gehört. Ich denke, es gibt nach wie vor keinen besseren Weg, im öffentlichen Raum gesehen – und dann gehört – zu werden. Hier sind und bleiben die Genossen vor Ort unverzichtbar, schon weil sie die örtlichen Problemlagen am besten kennen und sie mit interessierten Bürgern glaubwürdig Besprechen können.
Das Verteilen von Flyern, besser noch von regelmäßigen, kurzen Publikationen in die Briefkästen des Wahlkreises unterstützt das persönliche Gespräch am Stand oder an der Wohnungstür. Zwei mal wurden in diesem Wahlkampf Verteilungen von Flyern in die Briefkästen des Wahlkreises durchgeführt. Zuerst verteilten wir den Personenfolder von der Landespartei, dann eine selbst gestaltete Postkarte mit Informationen über meine Idee, soziale Härtefälle zu unterstützen. Wo keine Verteilerstrukturen in den Orten verfügbar waren, sind wir mit eigenen Gruppen, die mit Wahlkampf-T-Shirts sichtbar waren, aufgebrochen. Dasselbe galt bei der Plakatierung.
Plakatierung kann im Einzelfall dann gute Wirkung zeigen, wenn sie sich aus der üblichen politischen oder gewerblichen Werbung heraushebt. Ein eigener Wahlkampf braucht also eigene Bilder, eigene Sprache, eigene Gedanken. Deshalb haben wir parallel zur Landeskampagne eigene Bildmotive nebst Sprüchen kreiert und im Wahlkreis plakatiert. Auch ein Wahlwerbespot wurde gedreht. Eine aufwändige, aber richtige Maßnahme, wie sich zeigte. Der Clip lief nicht nur im Erkneraner Kino während des August, er wurde in sozialen Medien auch vielfach gesehen und als Anzeige geschalten.
These 4: Ohne Aktiv, die Zusammenfassung der Aktivisten, geht nichts!
In Zeiten einer aktuell anstehenden Wahl ist – neudeutsch – ein Wahlkampfteam zu bilden. Aber auch in den Zeiten zwischen den Wahlen gilt nichts anderes. Das Aktiv bildet die Rollen des Verantwortlichen, des Redakteurs für die Öffentlichkeitsarbeit, des Konzeptionisten für das politische Programm oder die politische Kampagne, des Organisators der Aktionen sowie des Aktiven vor Ort, der die Aktion umsetzt, ab. Beschrieben sind hier – wohlgemerkt – Rollen, Aufgaben in einem Aktiv, keine Personen. Die Mitglieder des Aktivs können und werden in aller Regel mehrere Rollen ausfüllen.
These 5: Veranstaltungen und Kampagnen haben einen begrenzten Zweck und eine beschränkte Zeit.
Daraus folgt, dass sie nur gezielt nach Zweck und geeigneter Zeitdauer (ergänzend) einzusetzen sind.
Veranstaltungen, sei es mit Kulturprogramm, sei es mit Parteiprominenz, dienen – meiner Meinung nach – in erster Linie der Motivation der Mitglieder oder Sympathisanten. Effekte in die Wählerschaft hinein sehe ich nur ausnahmsweise, begleitet von einer entsprechenden medialen Vor- und Nacharbeit. Sinnvoll ist allerdings, feste Formate, wie regelmäßige Filmvorführungen, Stammtische oder Straßenfeste, außerhalb von Wahlkampfzeiten zu etablieren. Mit dem Beispiel „Chili con Kino“, lies sich einerseits kritisches Denken unter Federführung der LINKEN verankern und andererseits kontinuierlich Kultur und Information in den Orten anbieten.
These 6: Ohne eine Präsenz auf Facebook und eine Internetseite ist Wahlkampf auch im weiten Sinn heute nicht mehr möglich.
Das heißt jedoch nicht, dass diese Mittel eine Wahl entscheiden. Aktuell dienen die digitalen Angebote eher der Anregung, sich mit den Inhalten der LINKEN neu und weiter zu beschäftigen. Wichtig ist damit, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Die digitalen Kanäle sind zeitgemäß zu gestalten und permanent zu aktualisieren. Auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen. Vor allem ist es wichtig, sein Gesicht zu wahren und keinen Einheitsbrei zu publizieren, sondern Meinungen und Diskussionsstandpunkte.
Fazit:
Wahlkampf funktioniert nach meinen Erfahrungen nur mit ehrenamtlichem Engagement.
Denn nur wer nicht auf Stechuhr und Geld guckt, ist dem nötigen Aufwand gewachsen.
Gerade in der heutigen Zeit reicht es nicht, den Vorgaben der Landespartei zu folgen. Zumal in den Orten Probleme drücken, auf die unsere Landespartei keine konkreten Antworten hat.
Eine richtige oder falsche Methode, Wahlkampf zu führen, gibt es nicht. Jeder muss für sich wissen, welcher Weg zu ihm passt oder wie viel Zeit er investieren kann. Diese Ausführungen sind daher gewiss nicht der Weisheit letzter Schluss.
Der Artikel wurde in der Zeitung Widerspruch, Ausgabe September/Oktober 2019 auf Seite 4, des Kreisverbandes DIE LINKE Oder-Spree veröffentlicht.