Am Arbeitsplatz eines Glaubenichts
Während die bornierte Gesellschaft (nur um den Begriff zu verwenden und auf das Video „Dietrich Kittner: Bornierte Gesellschaft“
hinzuweisen) entweder Nationalratswahl in Österreich oder Nach- und Vorwehen der Landtagswahlen in Deutschland zelebriert, laufen die Uhren – wenn überhaupt vorhanden, geschaut wird prinzipiell nicht drauf – unbeirrt in Dedenitz weiter. Der Kukuruz wird mit Erntemaschinen gerebelt und das halbe Dorf trifft sich zum Zuschauen drumherum. Die Hunde gehen unbeleint Gassi und die Hühner besuchen die Nachbarschaft. Wein und Kernöl gehören zur häuslichen Grundausstattung.
Eine in sich geschlossene Gesellschaft? Könnte man meinen. Nicht so hier! Nicht so in Dedenitz! Einzige Voraussetzung: Nicht borniert vorbei-, sondern aufeinander zugehen. Dann ist die Brücke gebaut und man gehört, wenn auch nur zeitweise, dazu. Und das, obwohl man auf dem Landhaus Hollerhof quasi vorher schon als „Zecke“ demaskiert ist … Anderenorts! – Es interessiert hier NIEMANDEN!
Das 5 000 qm große Grundstück ist das letzte Haus vom Dorf. Zäune gibt es im Dorf eh kaum welche und wenn, dann steht das Tor immer offen. Denn es gibt allerhand zu ernten und jeder der etwas abnimmt und zu Saft, Marmelade oder Kuchen verarbeitet ist willkommen. Und falls dann mal beim Einkochen die Gläser oder beim Backen die Eier fehlen, kann man getrost zu jedem Nachbarn gehen: Es gibt für alles und immer eine Lösung. Gegenleistung? Gibt‘s nicht. Man muss nur das hecktische und digitale Leben vor der Dorfeinfahrt abgeben, immer eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen in der Hinterhand haben und viel guten Willen zeigen, bei dem sehr starken Dialekt dem Gespräch zu folgen. So wirklich akzeptiert und respektiert kann man sich fühlen, wenn in seiner Gegenwart versucht wird Hochdeutsch zu sprechen.
Und hier haben nun Christel und Dietrich Kittner Entspannung und Inspiration gefunden. Verständlich, oder auch nicht 😉 Bis auf ein Paar Renovierungsarbeiten ist alles noch originalgetreu: Probebühne, Kultur und Literatur wohin man blickt und Freiheit – räumlich und zum Denken. Und so ist Dietrich für sein letztes postum erschienenes Buch der Titel „Aus dem Leben eines Glaubenichts“ eingefallen. Beste Atmosphäre, um wieder politische eingenordet zu werden und sich auf das zu besinnen, was das Leben ausmacht, nur in der Politik all zu oft untergeht: das Mitmenschliche.