Schluss mit der Heuchelei in der Altenpflege
Die Rente der Senioren ist hoch genug? Wohl kaum, wenn sich eine Mehrzahl von ihnen den Eigenanteil für stationäre Pflege nicht leisten kann und, so dass diese Kosten bei vielen sogar von Sozialhilfe bezahlt werden müssen. Wie weit ist es gekommen, wenn Menschen nach einem intensiven Arbeitsleben zum Sozialfall werden? Die Rentner werden im Alter im Stich gelassen, trotz aller Sonntagsreden nicht menschenwürdig begleitet.
Die Gebrechlichkeit der Senioren am Tage ihres Eintritts in die stationäre Altenpflege ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Weil sich die Wartezeit für einen Heimplatz am Rande Berlins inzwischen auf drei bis fünf Jahre beläuft. Geht das so weiter, warten alte Menschen bald so lange auf ihren Pflegeplatz wie früher auf ihr Auto. Das Gegenargument, sie könnten ja im weiteren Umfeld unterkommen, finde ich sehr schwach. Es ist eine Zumutung, zu verlangen, dass Menschen am Lebensabend ihr gewohntes Umfeld aufgeben sollen.
In einem Seniorenheim muss das Team Hand in Hand zusammenarbeiten. Nur wenn das stimmt, können Probleme abgefedert werden. Auch darum sollten Personalleasingfirmen in Pflege- und Gesundheitsberufen, genauso wie eine Tarifbindung dringend nötig ist, so dass die Pflegekräfte, insbesondere die Pflegefachkräfte nicht abwandern in diese Firmen. Die Bezahlung in den Einrichtungen ist oftmals so niedrig, dass motivierte und fähige Kräfte fast schon gezwungen sind, zu den etwas besser zahlenden Personaldienstleistern abzuwandern, zumal sie sich dort die Schichtzeiten aussuchen können, in denen sie arbeiten. Wie es den Senioren in den stationären Pflegeheimen damit geht, nahezu täglich von neuem Personal betreut zu werden, liegt auf der Hand. Die menschlichen Beziehungen zwischen Pflegekraft und Rentner gehen dabei verloren, wenn man nur den reinen Pflegeakt betrachtet.
Ein einheitlicher Tarif ist nötig, der auch der wichtigen Arbeit der Betreuung von Senioren gerecht wird. Dahinter stecken Pflichtarbeit, Sterbebegleitung, Hilfe bei Altersdepression und viele weitere Aufgaben. Diese Arbeit ist nicht nur erfüllend und bereichernd, sondern auch psychisch und physisch sehr belastend. Seniorenpflege gehört zu den Berufen, die man nicht zum Feierabend mit dem Kittel an den Haken hängen kann.
Ein interessanter und nicht neuer Gedanke ist, den gesamten sozialen Bereich – also auch die Pflege im Alter – in die öffentliche Hand zu übergeben. Einmal im Jahr bei der Seniorenwoche über die Lebensleistung der Alten zu reden, aber ihren Lebensabend in die Hände von profitinteressierten Unternehmen zu geben, ist heuchlerisch.
Fachpolitiker auf Bundes- und Landesebene brauchen deutlich mehr Erfahrung und Praxis in diesem Bereich. Zudem sollten sie sich nicht von Lobbyverbänden beraten lassen, sondern von Menschen aus der Praxis, von Wissenschaftlern und den Vertretern der Betroffenen. Nur dann kann sachgerechte Politik gemacht werden. Ein Landesseniorenbeauftrager und ein Seniorenmitbestimmungsrecht, das den älteren Menschen als derzeit größte Bevölkerungsgruppe echte Entscheidungsrechte einräumt und so politische Teilhabe garantiert, halte ich für dringend erforderlich.