Freifunk: So bleibt Erkner ein weißer Fleck auf der Karte
Im ländlichen Brandenburg fehlt es mancherorts am Zugang zum Internet selbst. Doch auch dort, wo es technisch problemlos Internetzugang, Telefonie und Datenaustausch gibt, ist die Situation nur auf den ersten Blick eine gute. Denn Monopole diktieren die Regeln und die Preise, obwohl andere Wege so einfach wären. Der meiner Meinung nach beste, weil offen für alle, kostenfrei und zutiefst demokratisch, ist Freifunk. Einige Initiativen sind da seit Jahren mit wechselhaftem Erfolg aktiv. Die Praxis ist allerdings frustrierend. Hier ein Bericht aus eigener Erfahrung.
Schritt eins – Anfang 2017: Der Beginn
Freifunk steht für freie Kommunikation in digitalen Datennetzen. Frei bedeutet:
- öffentlich zugänglich (keine Registrierung bei einem Provider notwendig),
- nicht kommerziell (es werden keine geschäftlichen Interessen verfolgt),
- im Besitz der Gemeinschaft und unzensiert.
Eine gute, sogar sehr gute und zukunftsweisende Sache! Los ging es mit dem Knüpfen von Kontakten und wenig später wurde Freifunk im Kino Movieland und in der GefAS (Verwaltungsgebäude mit Tafel sowie Veranstaltungssaal und Außengelände) unter Mithilfe eines Freifunkers aus Grünheide, FreifunkBerlin sowie DIE LINKE Erkner, Gosen-Neu Zittau installiert.
Schritt zwei – Mitte 2017: Beste Voraussetzungen
Dabei stellte sich heraus: Über eine Richtfunkstrecke könnte Erkner an bereits bestehende Freifunkinfrastruktur in Berlin angebunden werden. Der Zugang vom Endnutzer zum Freifunknetz könnte dann wiederum durch die Anbindung der Router an die Richtfunkanlage erfolgen.
Bedingung für eine Richtfunkstrecke ist allerdings die Installation auf einem hohen Gebäude. Die Antennen funktionieren nämlich nur an Standorten, zu denen sie in Sichtkontakt stehen. Die Herausforderung war groß, eine Lösung schien fast unwahrscheinlich. Doch wir wurden fündig. Mehr noch: Wir wurden einig. Und zwar durch die Zusage, eine Richtfunkantenne auf dem Verwaltungsdach des Firmengeländes von Prefere Resins installieren zu dürfen. Die Chefin der Kunstharz Fabrik, selbst Informatikerin, hätte kein Problem damit – im Gegenteil: sie begrüßt solch bürgerschaftliche Initiativen –, für Freifunk das einzige noch freie Dach des Erkneraner Standortes zu nutzen. Auf den weiteren Dächern der Fabrik haben sich bereits andere Provider eingemietet. Unser Landtagsabgeordneter Volkmar Schöneburg und medienpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE diente hier in einem Auftaktgespräch sowie mit einem Vertreter von FreifunkBerlin als Türöffner für Freifunk. Doch was nützt die Möglichkeit, wenn sie nicht umgesetzt wird?
Schritt drei – Anfang 2018: Entstehung einer Initiative
Eine Initiative war nun zu gründen und mehr aktive Mitstreiter mussten her. Den Anfang bildeten wir zunächst zu zweit – Sebastian Heinrich und ich. Wir trafen uns regelmäßig nach der Arbeit und erarbeiteten ein Konzept. Im ständigen Austausch mit einem Freifunkberlin Mailverteiler sondierten wir unsere Möglichkeiten.
Da war eine Menge zu lernen. Freifunker arbeiten ehrenamtlich und nicht kommerziell orientiert. Freifunk organisiert sich über gemeinnützige Vereine. Diese finanzieren sich über Spenden und Mitgliederbeiträge. Die Mittel werden beispielsweise verwendet zur Anschaffung von Richtfunkgeräten für den WLAN Backbone (engl. Für Rückgrat, Hauptstrang, Basisnetz) Ausbau, aber auch zum Druck von Broschüren und Flyern. Ziel unserer neu gegründeten Initiative ist es, freies WLAN an zentral öffentlichen Plätzen für Bürger und Gäste der Stadt Erkner zur Verfügung zu stellen. Solcher Freifunk bedeutet barrierefreien Zugang ohne Landingpages und natürlich registrierungsfrei.
Wir haben mehrere Freifunkgebiete in Erkner ausgemacht: unter anderem den Bahnhofsvorplatz, den Busbahnhof, die Stadthalle, den Sportplatz Strandbad, den Jugendclub und den Rathauspark. Damit würde die Attraktivität unserer Stadt für Bürger und Besucher deutlich gesteigert. Das sollte, so meinen wir, doch auch in der Kommunalpolitik und der Verwaltung einleuchten und für Begeisterung sorgen. Da der Großteil der zu entwickelnden Gebiete im öffentlichen Bereich liegt, benötigen wir praktische Unterstützung seitens der Stadtführung, Ansprechpartner oder eine Koordinierungsstelle innerhalb der Verwaltung sowie einen Überblick über bereits geplante oder erfolgte Maßnahmen.
Schritt vier – Ende 2018: Warten, warten und Vodafone machen lassen
Wir baten als Initiative Freifunk also um ein Gespräch mit dem Bürgermeister, der sich interessiert zeigte. Vodafone, Wohnungsgesellschaft und Stadtverwaltung sind an der Verbesserung der Infrastruktur interessiert, verfolgen jedoch die Umsetzung über kommerzielle Betreiber.
Während Vodafone „kostenfreie Hot-Sports“ anbietet, die Kundenakquise zum Ziel hat, also gezielt Werbekonsumenten finden will, ist Freifunk hingegen werbe-, vertrags- und barrierefrei. Doch wenn der Konzern unsere Hauptstraße und alle Plattenbauten mit Hot-Spots dominiert, hat es eine freie Initiative schwer. Mag sie noch so gute Vor- und Ansätze haben.
Schließlich ist der Begriff „kostenfrei“ in Bezug auf Hot-Spots von Vodafone irreführend, dahinter stehen deutliche Marktinteressen. Die Nutzer zahlen mit ihren Daten. Sie erklären sich bereit, unter den Geschäftsbedingungen von Vodafone, Werbeempfänger zu sein. Wer das für sich akzeptiert, kann das natürlich. Es muss aber auch die Möglichkeit bestehen, werbungsfrei und ohne Anmeldung online gehen zu können, sich digital frei zu bewegen, ohne unfreiwillig Konzerninteressen zu dienen.
Es ist nicht zu verstehen, warum ein Konzern wie Vodafone zum Schaden der Allgemeinheit Kommunalpolitik beeinflusst. Zudem wird eine deutliche Wettbewerbsverzerrung kommunalpolitisch geduldet, zum Nachteil der Stadt Erkner und Ihrer Gäste. Das muss sich ändern!
Fazit
Seit mehreren Jahren engagiere ich mich zum Thema Freifunk und erlebe, wie Großkonzerne, eingerahmt von kommunalpolitischer Inkompetenz, die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte ausbremsen. Es ist ermüdend.
Mit den negativen Erfahrungen tritt ein Aspekt besonders hervor. Unsere Partei DIE LINKE steht in der Regierungsverantwortung des Landes Brandenburg. Warum hat es linke Politik in der Vergangenheit versäumt, Initiatoren von Freifunk politisch zu unterstützen? Die Weichen für derartige Initiativen waren doch in der Landespolitik zu stellen. Wieso müssen wir uns heute dem wirtschaftlichen Druck von Großkonzernen wie Vodafone beugen, die offensichtlich nur den eigenen Aktienkurs im Auge haben und nicht die Interessenlage der Bürger? Das Motto konzernlichen Handelns lautet doch: Wir sagen Euch, was Euch interessiert, was ihr braucht und vor allem das Wie. Ihr dürft uns dafür bezahlen.
Der Artikel wurde in der Zeitung Widerspruch, Ausgabe Februar 2019 des Kreisverbandes DIE LINKE Oder-Spree veröffentlicht.