Funkloch-App solls richten – weil Politik die Entwicklung verschlafen hat
Jeder, der bereits mit dem RE 1 von Erkner Richtung polnische Grenze gefahren ist und am Mobile arbeiten wollte, weiß: Es reiht sich Funkloch an Funkloch. Das ist indes nur das geringste Anzeichen für ein viel gewichtigeres Problem. Ist man vorbei, ist alles wieder gut … Was aber ist mit den Menschen, die in der Digitalwüste leben und arbeiten? Warum ist es wichtig, dass gerade die ländlichen, auch unbewohnten Flächen vom Netz abgedeckt werden? Richtig: Nicht nur die Bahn- und Auto-Reisenden, sondern auch die Menschen die dort leben, brauchen die digitale Entwicklung. Sie ist längst bei den Traktoren auf den Feldern angekommen, sorgt für die Kommunikation der Bürger untereinander und mit Versorgern. Sie ist ebenso bei den Feuerwehren technische Grundlage eines jeden Einsatzes. Die hatten – wie bekannt – besonders im vergangenen Frühjahr und Sommer bei Waldbränden im Flächenland Brandenburg irrsinnig viel zu tun.
Funkloch-App zur Bespaßung der Bürger
Anfang November hat nun die Bundesnetzagentur eine App für die Handy-Systeme Android und iOS zur Mobilfunknetzabdeckung freigeschaltet. Die App erfasst in regelmäßigen Abständen, ob eine Netzabdeckung vorhanden ist und wenn, ob sie in 2G-, 3G- oder 4G-Technik gegeben ist. Die Bundesnetzagentur erhofft sich für 2019, im Ergebnis zu sehen, wo überall Funklöcher im Land vorhanden sind. Allerdings: Warum fragt sie nicht einfach die Telefongesellschaften nach der Reichweite ihrer Funkmasten, die es für eine Netzabdeckung in der Fläche braucht? Dann wüsste auch sie, wo überall Nachholbedarf besteht. Die Gesellschaften wollen aber nicht raus mit ihren Daten, sich nicht in ihre Bücher gucken lassen! Den kapitalistischen Unternehmen geht es nicht darum, dem Gemeinwohl zu dienen und flächendeckendes Internet anzubieten. Sie wollen möglichst hohen Gewinn erzielen. Was das auch nur vielleicht in Frage stellen könnte, ist von Übel, wird nicht bedient. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Das ist bekannt! Und überhaupt … Geschäftsgeheimnis ist Geschäftsgeheimnis!
Fazit: Der Kunde wird in die Verantwortung gezogen
Da sich die Bundesnetzagentur gegenüber den Providern nicht durchsetzt, sollen es nun die Kunden richten. Also lässt man sich von denen die Funklöcher melden – und bekommt nebenbei auch noch die Bewegungsprofile der Bürger. Die App-Nutzer teilen die Daten zur Netzabdeckung der Netzagentur mit. Sie geben aber gleichzeitig ihren Standort an. Und das freiwillig und einer guten Sache wegen. Obwohl das ganze Verfahren unnötig ist. Und natürlich beteuert die Bundesnetzagentur: Datenschutz? Datenschutz ist gegeben!
Die App hätte man sich also bei genügend politischem Willen sparen können. Wer flächendeckende Versorgung haben möchte, darf die Verpflichtung der Netzbetreiber, die Netzabdeckung zu gewährleisten, nicht den Konsumenten übertragen. In anderen Ländern wird der Versorgungsauftrag mittels Gesetz, Verordnungen und entsprechenden Auflagen geregelt. Nicht so in Deutschland: Hierzulande geht man den Weg des geringsten Widerstands. Der technisch unkundige Konsument, der Bürger, sorgt mit seinen Daten für das Wissen der Netzagentur – und trägt so an der Verantwortung mit, sollte es mit der Netzabdeckung da oder dort doch nicht so gut klappen. Die Mobilfunkunternehmen sind jedenfalls ihre Verantwortung los. So bleibt die App nur ein Tropfen auf den heißen Stein und dient gleichzeitig der Beruhigung der betroffenen Bürger. Man kann nur hoffen, dass bei der Ausschreibung um 5G politisch klüger agiert wird.
Nebenbei gesagt, der Brandenburger Landesregierung sind die Funklochdaten vermutlich längst bekannt. Die CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag hat 2017 einen Funklochmelder im Internet eingerichtet: www.funkloch-brandenburg.de. Über 23 000 Funklöcher sind dort schon für Brandenburg gemeldet.
Blick über den Tellerrand – zwei Beispiele
Die österreichische Bundesbahn bietet in ihren Zügen gratis WLAN im Nah- und Fernverkehr. Ohne Registrierung und Komplikationen. Auch in der U-Bahn in Berlin ist laut Provider demnächst sogar LTEEmpfang möglich. Dahinter steckt natürlich ein Nutzen für die Netzanbieter: Es lohnt sich wegen der vielen Menschen, der vielen Netzwerkverbindungen und der vielen Werbung. Das bedeutet Profit.
In der Fläche Brandenburgs ist es da schon viel schwieriger. Funkmasten rentieren sich dort erst nach länger Zeit. Also ist man als Mobilfunkbetreiber zögerlich und nimmt in Kauf, dass eine informationelle Zweiklassen-Gesellschaft entsteht. Noch ist Brandenburg in dieser Hinsicht Entwicklungsland. Solange heißt es beim Blick aufs Mobile: Kein Netz. Fehlender Empfang, Telefonate, die zwischendrin abreißen oder wegen geringer Datenraten kein mobiles Internet besteht.
Lösungsmöglichkeit: Lokales Roaming
Eine Lösung für das Funkloch-Problem in der Fläche wäre lokales Roaming. Was bedeutet das? Jeder von uns ist mit seinem Mobile bei einem Telefonprovider (Vodafone, Telekom etc.) registriert. Sobald wir uns per Zug, Auto usw.
bewegen, haben wir nicht selten über den Provider (z. B. Vodafone) keine Verbindung. Also Funkloch! Der Kunde eines anderen Providers (z. B. Telekom) hat aber zu unserem Erstaunen Internet oder telefoniert fröhlich weiter … Technisch ist das gar kein Problem: Der eine Provider hat seinen Funkmast in erreichbarer Nähe, der andere nicht. Und da liegt auch die Lösung des Problems: Verbindet man die Netze der Provider bei Bedarf (oder nutzen sie den Funkmast gemeinsam, wär ja auch eine Idee …), kann also der Nutzer des einen Netzes das andere nutzen, ist schon viel erreicht. Das Verfahren nennt man „roamen“. Ich könnte also für die Zeit, während mein Provider keine Verbindung hat, zu jenem Provider switschen, der dort präsent ist. Das ginge automatisch und sobald der eigene Provider wieder erreichbar ist, wird dorthin zurückgesprungen. So wäre eine Reihe von Funklöchern überhaupt nicht existent. Das wäre eine politische Lösung und würde die Verantwortung wieder bei den Telefongesellschaften und nicht bei den Bürgern ansiedeln. Und es setzt die Bereitschaft der Mobilfunkunternehmen voraus, auch den Kunden eines anderen Mobilfunkers zu unterstützen und zu bedienen. Ob das allerdings von den Mobilfunkunternehmen gewünscht ist?
Der Artikel wurde in der Zeitung Widerspruch, Ausgabe Dezember 2018/Januar 2019 des Kreisverbandes DIE LINKE Oder-Spree veröffentlicht.